Das
Phänomen Mythos wurde treffend von C.G. Jung als Traum der Kultur
beschrieben. Diese Ansicht teilte danach auch die psychoanalytische
Schule und führte sie in den allgemeinen Diskurs ein. Nehmen wir noch
die Klassiker der Postmoderne hinzu, die alles als Text betrachten,
könnte man sagen: Europa träumte immer auf Altgriechisch.
Zwar wurde inzwischen Englisch zur Referenzsprache und aus den Mythen
sind Geschichten geworden, die Gestalten aus den Zeiten der Geburt
europäischer Kultur verlieren jedoch nichts von ihrer Wirkungsmacht und
begleiten uns weiterhin im Alltag ebenso wie im Traum.
In ihren neuesten Werken für die „Ancient Stories“ Ausstellung
beschäftige sich die Bildhauerin Elya Yalonetski extensiv mit dieser
Thematik. Jede Skulptur, die fast immer von einem
bestimmten Charakter aus der griechischen Mythologie abgeleitet ist,
erzählt eine Geschichte - manchmal aus dem Leben der Künstlerin selbst,
manchmal ohne einen bestimmten Narrativ und in manchen wiederum sind
zeitgenössische Referenzen zu erkennen. Selbst für den Gründer der
Psychoanalytik wurde ein Platz in diesem Pantheon gefunden.
Die 1973 geborene Künstlerin absolvierte im Jahr 1996 die Kunstschule
in Abramtsevo, die auf dem Gebiet der angewandten Kunst seit dem 19.
Jahrhundert führend ist. Seitdem entwickelte sie ihre eigene
künstlerische Bildsprache, die den unverwechselbaren Stil ihrer Werke
leicht erkennbar macht.
Elya
Yalonetski kombiniert gekonnt die Expressivität der Gesichter mit
der Leichtigkeit der Figurenkomposition. Bei der Farbgebung geht
sie mit ihren Skulpturen wie ein Maler führend um. Sie
beschäftigt sich nicht nur mit der Form, sondern widmet sich auch
dem Spiel von Licht und Schatten. Dabei verwendet die Künstlerin statt
Farben Engoben und Glasuren. Es gelingt ihr, ihren Werken eine weiche
pastellfarbene Ausstrahlung zu verleihen, als hätte jemand alte
Vintage-Fotos dezent retuschiert und die vergangenen Zeiten wieder zum
Leben erweckt. So soll es auch bei dem Betrachter ankommen: ein wenig
verstaubt, gleichzeitig aber lebendig und präsent.